Friederich Wiederholt - Chronik
In Verbindung mit dem Stammbaum von Rudi Domke ist die Chronik „Erinnerungen an das Leben, die Kinder und Kindeskinder meiner Großeltern Wiederholt & Gerhardy“ der Beginn der Aufzeichnungen über das Leben der Familie Wiederholt. Nach Kontaktaufnahme mit zahlreichen Verwandten fanden sich bislang drei verschiedene, zum Teil sehr schlecht zu lesende Exemplare mit unterschiedlichen Ausführungen.
Friedrich Wiederholt ließ kurz vor seinem Tode einen Rückblick auf die Familie und die Verwandtschaft schriftlich festhalten. Schon gänzlich erblindet, diktierte er seiner Tochter die Erinnerungen an sein Leben, mit einem Blick auf einige regionale und geschichtliche Ereignisse, alltägliche Begebenheiten und die schwere Arbeit auf einem landwirtschaftlichen Hof der damaligen Zeit.
Gleichzeitig beschreibt er sehr detailliert die Entstehung der Brauerei seines Vaters Carl Wiederholt. Die einzelnen Arbeitsschritte im Brauereibetrieb und die damit verbundenen Schwierigkeiten werden ebenso geschildert wie das Leben in Nörten zwischen ca. 1850 und dem beginnenden 20. Jahrhundert.
Aus den drei vorliegenden Darstellungen wurde für die folgende immer die ausführlichsten gewählt. Die handschriftlichen Ergänzungen - die sehr wahrscheinlich von seinen Töchtern Cäcilie und Maria Wiederholt stammen - und auch Abschnitte, die nicht zu entziffern sind, wurden in runde Klammern gesetzt (.......). Die eckigen Klammern [.......] kennzeichnen die wenigen Ergänzungen und Korrekturen der Unterzeichner.
Die originalen Formulierungen und Schreibweisen, die ganz im Zeichen der Zeit standen - besonders deutlich in seinem Vorwort zu erkennen - sind beibehalten worden. Das gilt auch für die übliche, zeilengenaue Übertragung. Nur in wenigen Passagen musste aus formatierungstechnischen Gründen darauf verzichtet werden. Sowohl der Index als auch Verweise innerhalb des Textes auf andere Textpassagen und Seiten wurde entsprechend angepasst.
Derzeit bereiten wir eine neue Version vor, die mit Fotos, Daten und Geschichten der Nachkommen bis heute ergänzt und vervollständigt werden soll. Das bedeutet selbstverständlich auch den Verzicht des damals gewählten Mottos.
In diesem Zusammenhang freuen sich die Schreiber über zahlreiche, weitere Geschichten und Anekdoten, vor allem über Fotos und Hinweise aus der Familie und bedanken sich schon jetzt für die damit verbundene Unterstützung.
Viel Spaß beim Lesen wünschen...
...Manfred Blankenburg & Tobias Dahl, Köln im Juni 2006
Auszug 1
(wortgetreue Wiedergabe in Auszügen)
A.
Großvater Friedrich W i e d e r h o l t .
Großvater Friedrich W i e d e r h o l t war Landwirt in N ö r t e n .
Er hatte nur eine Schwester: Tante K a n n e, die keine Nachkommen
hinterließ. Er soll 4 Höfe in Nörten gehabt haben. Von diesen mußte er
zwei zur Franzosenzeit wegen Steuern verkaufen. Er hatte 8 Kinder, 4 Kann=
ben und 4 Mädchen. Der älteste Sohn bekam einen Hof und der jüngste.
I. Da Onkel F r a n z dieser Hof zu klein war, pachtete
er sich einen größeren in G i e b o l d e h a u s e n und wurde "Pater=
höver genannt. Er heiratete eine R i n g e aus D ü n g e n, und seine
Kinder sind in Gieboldehausen geboren. Später zog er wieder auf seinen
Hof in N ö r t e n neben dem Stammhofe ein, wo ich als kleiner Junge ihn
noch kennen lernte. Als seine Kinder sind mir bekannt:
1.) T h o m a s, der Professor der Exegese am Priester=
seminar war, dann nach Auflösung desselben Direktor im Konvikte und später Domkapitular wurde. Er liegt auf dem Annenfriedhof beerdigt.
2.) Eine Tochter (U) war Ursuline und lag in Dinklar beerdigt.
3.) Die Tochter T h e r e s e war Haushälterin beim Onkel Schulinspektor.
4.) Tante K a t h a r i n e pflegte ihre Eltern zu Tode und war dann Haushälterin von Onkel Thomas. Nach dessen Tod lebte sie bei ihrem Neffen, dem Pastor Franz Wiederholt (s. I, 6, b) , und liegt auf dem Domfriedhof beerdigt.
5.) Die Tochter L u i s e heiratete den Bäcker G e r h a r d y . - Siehe unter dessen Verzeichnis bei B, VI .
6.) Johannes bekam den Hof und heiratete eine B a n k aus A c h t u m. Von seinen Söhnen war
a) R u d o l f Kaplan in Grossgiesen und liegt
in Nörten beerdigt.
b) F r a n z war der erste Pastor von St. Elisabeth
in Hildesheim, nachdem er Kaplan in Dingelbe, bei St. Magdalenen und St. Mau-
ritius in Hildesheim gewesen war. Später wurde er zum Regens berufen und
mußte seinen Haushalt wieder aufgeben. Er starb 1919 und liegt in Nörten
beerdigt.
c) M a g d a l e n e hielt ihm Haus, solange er Pastor
war, und zog dann nach Nörten zurück und wohnte dort
d) mit ihrer Schwester K a t h a r i n e zusammen.
e) B e r n w a r d bekam wieder den Hof und heiratete
L i s b e t h aus der Brauerei (VIII, 1, g) . So ist dieser Zweig wieder
mit unserer Familie vereinigt. Sie haben 9 Kinder; 3 Knaben und 6 Mädchen.
II. Eine Schwester meines Vaters heiratete den Lohgerber H o u -
r a n d in F r i t z l a r . Als die Eltern gestorben waren, kamen die
4 Kinder nach Nörten, und mein Vater übernahm die Vormundschaft.
1.) Die älteste Tochter heiratete später den Lehrer F r i d e r i -
c i in G r o n a u. Sie lebte als Witwe bei ihrem Sohn in H a r s u m ,
der 2 Söhne hinterlassen hat. Eine ihrer Töchter war barmherzige Schwe-
ster. Eine zweite: Tante M a r i e war bei ihrem Onkel in O s t e r o d e,
später bei Tante Sophie in Holzminden. (VIII, 6)
2.) Tante C h a r l o t t e heiratete den Schneidermeister
H e i n e in O s t e r o d e. Sie hatten keine Kinder.
3.) Eine Tochter heiratete protestantisch, den Wachtmeister H e b e-
s t r e i t. Deshalb schloß sie Onkel Schulinspektor bei der Verteilung
seines Vermögens aus, und machte eine Stiftung bei der damaligen Diaspora-kirche in E i n b e c k.
4.) F r i e d r i c h war Bäckermeister in O s t e r o d e und heiratete eine K i r c h h o f f aus D u d e r s t a d t.
a) Sein Sohn F r i e d r i c h führte das Geschäft fort
und heiratete eine H o u r a n d aus Fritzlar. Nach seinem Tode wurde
das Geschäft aufgelöst.
b) Der 2.Sohn: A d o l f heiratete die R e g i n e aus der
Brauerei. (VIII, 1,d) . So ist auch dieser Zweig wieder mit unserer Familie
vereinigt. Er hat ein gutgehendes Agenturgeschäft in M ü n c h e n .
Sie haben zwei 2 Söhne und 2 Töchter.
III. Eine Schwester meines Vaters, L u i s e, heiratete den Lehrer
G e r h a r d y in Gieboldehausen, dem Onkel Schulinspektor die Lehrer-
stelle in Nörten verschaffte. Sie wurde Tante "Schuletante“ genannt und
war sehr fromm.
1.) Der Sohn F r a n z studierte in Hildesheim und dann in Heili-
genstadt und war als "Dechant von der Struth" in der Reiffeisen`schen
Landwirtschaftsgenossenschaft auf dem Eichsfelde sehr tätig. Vorher hat er
das Gesellenhaus in Heiligenstadt gebaut. Seine Pfarrei war als "Ziegen-
bockspfarrei" bekannt. Wenn er im Kulturkampf kein Brot mehr hatte, schickte
er den losgelassenen Bock ins Dorf, und die Bauern wußten Bescheid und
brachten ihm Nahrung.
2.) C a r l trat als Laienbruder bei den Jesuiten ein.
3.) Mater C ä c i l i a mußte zur Kulturkampfzeit das Kloster
in Duderstadt verlassen und zog mit nach Australien. Von ihr stammen die
Gedichte: "Aus dem Tagebuch einer Nonne". Mutter lobte sie als sehr klug.
4.) Eine Tochter heiratete den Konsul H e i l i g e n s t a d t
in Hannover.
5.) Eine Tochter heiratete auf den Hof neben der Apotheke in Nörten,
M ö h l m a n n . Diese sind früh an der Schwindsucht gestorben, desgleichen
ihre ältesten beiden Söhne. Tante "Schultante" hat als Witwe die anderen
Mädchen gut erzogen u. brachte sie weit voran.
a) Eine Tochter heiratete den Sattlermeister G i e s e m a n n
in R i n g e l h e i m.
b) Nach deren Tode eine zweite Tochter. Die Kinder dieser
Ehe sind sehr begabt:
[b.1] Eine Tochter leitete als Direktrice ein großes Ge-schäft und verheiratete sich gut.
[b.2] Ein Sohn ist Lehrer in E m m e r k e.
[b.3] Einer ist im Krieg gefallen.
c) Eine dritte M ö h l m a n n heiratete den Lehrer
E r n s t in A l g e r m i s s e n, der als 2. Frau eine Köpps aus Bishau-
sen hatte. Sein Sohn C a r l hatte in Rheine eine Molkerei ge-
pachtet. Dessen 8 Kinder sind auch schon herangewachsen.
d) Eine vierte M ö h l m a n n heiratete den Schuhmacher
F e i n d t in Nörten und übernahm das väterliche Haus in Nörten.
e) Die jüngste, S o p h i e, heiratete einen Kaufmann
M o o k in Braunschweig.
IV. Tante T h e r e s e heiratete den Schlachter und Gastwirt
R e u p e r in Nörten. Sie leitete als sehr gewichtige Persönlichkeit (über
250 Pfund schwer) das gutgehende Geschäft, da besonders die Soldaten von
Northeim, wenn sie zur Kirche kamen, bei ihr einkehrten. Ich habe manchen
blanken Silbergroschen von ihr bekommen, wenn ich ihr das bestellte Bier
auf der Braukarre hinschob.
1.) Ihr Sohn H e i n r i c h übernahm das Geschäft nach ihrem To-
de, und heiratete eine H ü t e r, später verkaufte er es an K e s e l i n g,
den Bruder des ehemaligen Kaplans in Nörten. Er zog nach Mecklenburg und
kaufte einen Hof, liegt aber in Nörten beerdigt.
2.) Die Tochter S o p h i e heiratete den Landwirt K ö p p s oben
in Nörten und hinterließ 3 Töchter:
a) T h e r e s e wurde die Frau des Bäckers Joseph R i t t m e i e r in Nörten.
b) K l a r a vermählte sich mit dem Maurermeister S c h l i c k und wohnte
in Krebeck. Deren Sohn war Leutnant d. R., Lehrer in Nörten und jetzt in Hann.Münden. Ihre Tochter P a u l a heiratete den Landwirt Joh. R i t t –
m e i e r in Nörten, der im Kriege fiel und sie mit fünf Kindern zurückließ.
c) Die jüngste Tochter R e g i n e heiratete den Tabaks-
händler H e n k e in Nörten, starb plötzlich und hinterließ keine Kinder.
3.) Eine Tochter der Tante R e u p e r: T h e r e s e, heiratete
den Bäcker K ö p p s in Nörten.
a) deren Sohn H e i n r i c h führte das Geschäft fort und
heiratete die Nichte des Dechanten W e s t e r m a n n.
b) die Tochter T h e r e s e heiratete den Schlossermeister
Carl W e i d e h a u s , den Bruder des Bürgermeisters in Nörten.
4.) Die Tochter C l a r a heiratete den Bäckermeister A l b u s
in Göttingen. Da sie keine Kinder bekamen, verkaufte er die Bäckerei und
beteiligte sich mit seinem Geld an einer Ziegelei. Und nun stellten sich
noch 4 Kinder ein. Als hochbetagter Mann begleitete Onkel Albus immer noch
den Priester auf Versehgängen und sang in der Kirche vor.
a) C l a r a heiratete einen M ü ß e n in Göttingen. Deren
einzige Tochter Clara wurde Lehrerin und verheiratete sich mit einem Dr.
W e i ß e n b a c h .
5.) Die Tochter L u i s e heiratete den Buchhändler S t e f f e n
in Hildesheim. Er arbeitete mit Buchdruckereibesitzer Kornacker damals zu-
sammen und hatte seine Wohnung nebenan, im "Himmelreiche", später machte
er sich selbständig, erwarb ein Grundstück am Bohlenwege und baute neu.
a) Die Söhne C l e m e n s und
b) G e o r g (der "kleine Prinzipal") führten das Geschäft
fort. Später verkauften sie es und eröffneten in L i m b u r g/Lahn ein
Antiquariat. Georg ist unverheiratet. Und die Kinder von Clemens sind schon
herangewachsen.
c) Ein dritter Sohn Steffens eröffnete in B a d e n w e i l e r
ein Sanatorium für Lungenkranke. Dieser heiratete die einzige Tochter des
Amtsrichters Friedrich W i e d e r h o l t in Osterode (VI, 1, a) , welche
lange Jahre im Sanatorium lag und mit 65 Jahren gestorben ist.
d) Ein 4. Sohn wurde Apotheker,
e) Die Tochter T h e r e s e heiratete den Postsekretär
Johannes R i t t m e i e r aus Nörten, welcher an der Bahnpost Berlin-
Holzminden beschäftigt war. Dieser liegt auf dem Zentralfriedhof in Hildes-
heim beerdigt.
V. Eine Schwester meines Vaters heiratete einen S c h e l l m a n n
in Nörten. Die beiden Söhne wurden Kaufleute.
1.) F r a n z starb früh.
2.) C a r l wurde Hopfenhändler in N ü r n b e r g . Bei diesem
Geschäft muß doch viel zu verdienen sein. Obwohl der Umsatz nicht groß war,
wurde er doch wohlhabend. Deshalb gingen später die Brauereibesitzer selbst
auf den Hopfenhandel. 1874 war ich mit Tante Sophie in Nürnberg, wo Onkel
uns alle Sehenswürdigkeiten zeigte. Bei seinen Hopfenreisen war er sehr oft
in unserem Hause in Nörten. Später kaufte er sich eine Gastwirtschaft.
VI. Onkel J o h a n n e s war Amtsrichter in Gronau.
1.) Sein Sohn F r i e d r i c h war Amtsrichter in Osterode. Er
heiratete eine P l a t n e r aus Gronau, die Schwester des Dechanten und
der Lehrerin. Seine Tochter F r a n z i s k a heiratete den Dr. S t e f =
f e n in B a d e n w e i l e r (IV, 5, c) und hinterläßt 3 Kinder.
Onkel Amtsrichter hatte einen regen Geist. Obwohl erblindet, so war er
doch Stadtverordneter.
2.) Seine Schwester T h e r e s e begleitete ihn und las ihm die
Schriftstücke vor. Sie blieb unverheiratet.
3.) Ein Sohn A l b e r t starb jung, er war Apotheker und liegt
in Göttingen beerdigt.
4.) R u d o l f war Brennereibesitzer und Ökonom in Osterode. Er
heiratete eine W i e d e l aus Bokenen, Schwester des Dr. = Onkel G e o r g und Tante N a t a l i e.
a) Die älteste Tochter M a r i a ist Lehrerin in Hanno=
ver und Landesvertreterin des kath. deutschen Lehrervereins der Provinz
Hannover, eine beim Magistrat sehr angesehene Persönlichkeit.
b) Eine 2. Tochter, F r i e d e l , ist an der Post in
Hannover. c) Die 3., H e r m i n e, ist Leiterin des gewerblichen
Seminars daselbst.
d) Aus 2. Ehe stammen zwei Knaben und 1 Mädchen. Ein Sohn
starb im Kriege. e) Der andere, J o h a n n e s , hat mit der Abfindungs=
summe von der Brennerei das väterliche Haus wiedergekauft. Er ist beim
Magistrat in Osterode beschäftigt.
f) Die Tochter A n n a ist Schwester vom armen Kinde Jesu.
VII. Die prominenteste Persönlichkeit der Familie ist Onkel Schulinspektor.
Er hieß C a r l . (und mein Vater, als Jüngster, hieß auch Carl.)
Fast 30 Jahre war er bischöflicher Missarius und Schulinspektor für die ganze
Diözese. In den Annalen der Stadt Hildesheim wird er viel genannt. Onkel Dr.
behauptete, er hätte sogar in der Liste für die Bischofswahl für Osnabrück
gestanden. Später wurde er Domvikar und hatte seine Kurie in der Burgstraße.
Wegen des Kulturkampfes mußte er diese verlassen und zog nach der Wollen=
weberstraße, wo er, da er nicht sehen konnte, die Treppe hinunterfiel. Er
las immer noch Messe, weil er sie auswendig konnte. Da er nicht Domherr
wurde, so wurde es sein Neffe T h o m a s. (I,1) Weil es damals noch keine
Eisenbahn gab, ritt er zu Pferde von einem Ort zum anderen. Einst passierte
im in Söhre folgender Witz: Er fragte einen Knaben nach dem Wege nach Diek=
holzen. Dieser trat stramm vor ihm hin und sagte: "Gistern wußte`r in der
ganzen Welt Bescheid und hüite kann ha nich emol den Weg nach Diekholzen fi`n." Dieser Ausspruch gefiel Onkel Schulinspektor so gut, daß er ihn zu
Ostern vollständig neu einkleiden ließ. Er hat vielen talentierten Kindern
zu Lebensstellungen verhelfen. Er, sowohl wie seine Nichte Therese (I,3) , die ihm Haus hielt, liegen auf dem Johannisfriedhof beerdigt.