Carl Wiederholt - Chronik des Feldzugs 1870/1871
Als etwas ganz besonderes darf das Tagebuch des Carl Wiederholt betrachtet werden. Als Freiwilliger 1870 zum Krieg gegen Frankreich gemeldet, fertigte er als „rechte Hand“ des Hauptmanns ein Tagebuch über den Feldzug gegen die Franzosen an. „An Waschen war fast gar nicht zu denken und sah man schwarz und dreckig aus, dass wirklich ein ordentlicher Mensch sich vor uns gescheut hatte und man in einen folgen Status quo sicher keinen Kuß von einem … Mädchen bekommen hätte.“
Carl Wiederholt war gerade 20 Jahre alt, als er sich freiwillig zum Krieg gegen Frankreich meldete. Er hatte zunächst, wie viele aus der Familie, das Josephinum in Hildesheim besucht und machte anschließend die Lehre als Brauer in der Brauerei seines Vaters Carl Wiederholt und dann sein Einjähriges. Gleich danach meldete er sich zum Krieg.
Er war Ordonnanz, so schreibt es sein Bruder Friedrich in seiner Chronik, und die rechte Hand des Hauptmanns. Der Abreise aus der Heimat folgte der lange Transport nach Frankreich. „…In Nörten waren die meisten Angehörigen am Bahnhof und war der letzte Abschied etwas nahe gehend. Ich empfing noch Birnen und ein Büchelchen. Am lutherschen Kirchhofe standen die Braugehilfen und riefen mir ein Lebe wohl entgegen…“
Das von Carl geführte Tagebuch, in dem er die Ereignisse der nächsten sieben Monate festhält, gibt neben den detaillierten Beschreibungen der Truppenbewegung auch sehr genaue Einblicke in die täglichen Abläufe des Soldatenlebens und die widrigen Umstände, die sie zu ertragen hatten. „…Wie faulende Wölfe, welche nach Raub suchen, schrien wir um Wasser und nach einer Stunde fanden wir endlich eine Kothfütze, wo unsere Kameraden wie die Fliegen an herumlagen. Wir legten uns zu ihnen und schlürften uns foll. Es war eine Regenfütze, woraus wohl kaum ein durstiges Thier säuft…“
Auch die Greueltaten und Erbarmungslosigkeit gegenüber den Franzosen werden in seinen Schilderungen deutlich. „...Wie ein Zug 79r an dem ersten Gehöfte vorbeimarschierten, schoss ein Bauer dem Offizier und Zugführer durch den Kopf. Der Bauer nebst seinen Söhnen mussten den [Offizier] auf einer Leiter mit uns bis Ladoge tragen. Die alte Großmutter wurde aus dem Hause getragen nebst den Kindern und der Frau. Dann wurde das Gehöft zur Strafe angezündet, welches bis tief in die Nacht brannte...“
Im Kontrast dazu stehen die oft geschilderten Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung, bei denen sie meist nur für eine Nacht blieben „…Ein junges Mädchen mal zu sehen, galt für eine Seltenheit und wurde zu den Merkwürdigkeiten gerechnet…“ Und ein Stück weiter: „…Die Tochter war so freundlich und hatte uns noch Kaffee von den Übrigen aufgehoben. Ich schüttete einen Kob voll hinunter reichte ihr eine Kußhand, welches sie erwiederte, sagte ihr Lebewohl drückte meinen Dank aus, so gut ich konnte…“
Sicherlich übertraf die Realität des Krieges bei Weitem das, was Carl sich bis dahin vorgestellt hatte. Die vielen Eindrücke prägten das Leben nach seiner Rückkehr. So berichtet sein Bruder, dass „…hatte er aber recht viel auf regende Szenen mitzumachen, sodaß seine Nerven nach Beendigung des Krieges noch immer weiterarbeiteten und er sich seine Gesundheit erst wieder erwerben mußte...“
Er ging nach Dortmund, um als Brauer zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln, musste aber aus gesundheitlichen Gründen bald zurückkehren. Sein Arzt riet ihm zur Aufgabe des Brauberufes und verordnete das Arbeiten an der frischen Luft. Eigentlich sollte sein ältester Bruder Wilhelm als Erstgeborener den Stammhof erben und Carl die Brauerei – aber aufgrund der neuen Gegebenheiten wurden die Erbteile „getauscht“.
Seine Mutter war froh, dass sie endlich Hilfe bekam und Carl war zudem in seinem neuen Beruf sehr erfolgreich. Bei landwirtschaftlichen Ausstellungen in Northeim erwarb er zwei Prämien und zehn Diplome. Er wurde Kreisdeputierter und die rechte Hand des Landrats, außerdem hatte Carl als stellvertretender Bürgermeister die Aufsicht über den Nörtener Wald.
Nach der Übergabe des Stammhofes an seinen Sohn Ernst Wiederholt zog er auf den Altenteil in die Lange Str., wo er bis zu seinem Tod 1918 lebte. Dort wurden auch seine Unterlagen verwahrt, die nun in transkribierter Form vorliegen.